Direkt zum Hauptbereich

Unsere neuen Bekannten und ein Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde

Als Leo und ich am Sonntag aufwachten, war sofort klar, wir müssen etwas unternehmen!
Nun, da seit dem 25.08 ein Volksfest der Hindus wütet, ist es in Hyderbad wirklich voll! Aber ein Sonntag ohne Ausflug wäre auch nichts gewesen und so entschlossen wir uns, an den größten See Hyderabads zu fahren und diesen einmal zu umrunden.
Eine Familie mit ihrer Ganesha Statue die danach im See gelandet ist.
Nun, wir buchten uns ein Uber, was normalerweise echt toll ist zu fahren, aber diesmal baute der Fahrer auf der 20-minütigen Fahrt gefühlt fünf Unfälle und einer war wirklich so knapp, dass ich aus dem klimatisierten Auto ausstieg und nassgeschwitzt war. Nun ja, eigentlich ist der Fahrstil der Inder an sich sehr gewöhnungsbedürftig, aber der war eine Klasse für sich. Negativ.
Als wir am See ankamen, staunten wir nicht schlecht. Am Ufer des Sees und der langen Promenade hatte sich halb Hyderabad versammelt und wir merkten schnell, dass sie nicht zum Spazieren da waren, sondern dass sie ihre zahlreichen mitgebrachten Plastik Ganesha Statuen in den See werfen wollten, was bei uns reinlichkeitsliebenden Deutschen schon mal nicht auf positive Resonanz stieß. Aber als wir  näher an den See herankamen und zuerst einmal eine ordentliche Nase des Gestankes vom See in uns hinein sogen, wurde uns klar: die Statue macht den Braten jetzt auch nicht mehr fett. Am Rande des Sees hatten sich schon Müllteppiche gesammelt, die den eigentlich sehr schön anmutenden See sogleich auf der Skala sinken ließen. Man muss wirklich sagen, dieses Land hat ein unglaubliches Müllproblem!!! (dazu später mehr, weil ich gerade so gut im Erzählen bin) Für 100 Rupien, umgerechnet ca. 1,31 Euro, sind dann einige Männer in das von Keimen, die krank machen, nur so strotzende Wasser gesprungen, um den kleinen, dicken Elefanten möglichst weit draußen zu versenken.



Zwei der Kinder, die Im Müll schwimmen, um ihre Ganesha zu versenken.

Für 1,31 Euro hier schwimmen? Nein Danke!
Müllteppiche, überall.

 Für mich unvorstellbar, dieses Wasser nur zu berühren, weil es echt abartig ekelhaft war und stank, als wären da weiß Gott wie viele Leichen versenkt worden. Nun gut, andere Länder, andere Sitten.


Als wir so an der Promenade entlangliefen, wurden wir (ich habe mitgezählt) 20 mal nach einem Selfie gefragt. Wir Weißen werden in der für Touristen eher nicht interessanten Stadt Hyderabad fast wie Promis behandelt. Wir wurden also ständig angehalten, um auf Fotos zu grinsen, den Daumen nach oben zu zeigen oder das Peace-Zeichen zu machen. Irgendwann war es wirklich schwer, lieb zu grinsen und unsere Gesichter wurden von einem sehr nett lächelnden zu einem eher genervten Gesichtsausdruck umgewandelt, weil wir doch eigentlich nur ein bisschen um einen See spazieren wollten und es wirklich sehr nervt, wenn man überall begafft wird, als wäre man ein Affe, der auf der Autobahn Fahrrad fährt. Dummer Vergleich, aber so in etwa kann man sich das vorstellen. Die Menschen sind ab und zu wirklich total begeistert, Weiße zu sehen, und die Augen werden groß, wenn wir durch ein Viertel laufen, das nicht zu den reicheren gehört.  Vielleicht denken jetzt einige: „Naja, also gegen Selfies machen und beliebt sein hab ich ja im Großen und Ganzen nichts einzuwenden, was haben die denn?” Dann lade ich euch herzlichst ein mich zu besuchen und wir gehen ein bisschen am See spazieren.
Eines der besagten Selfies, von denen es noch etliche mehr gab, aber nicht mit meinem Handy!




Ironie!! Anders nicht zu beschreiben. Vielleicht noch mit lächerlich.

Auch sehr lustig ist, dass die meisten Jugendlichen nur zwei Wörter und einen einzigen Satz bzw. eine Frage in Englisch kennen. Es geht also immer so: „Hi Bro”, dann antworten wir höflich mit „Hello”, woraufhin unser Gesprächspartner mit „Where are you from?” antwortet und wir immer noch höflich antworten „We are from Germany.” Was dann passiert, ist immer gleich. Unser Gesprächspartner zieht sich mit einem zufriedenen Lächeln zu seinen Kumpels zurück, die sogleich sehr aufgeregt anfangen zu schnattern, wir sind eher ein wenig verwundert, dass das Gespräch schon vorbei ist. Ich betone bewusst, dass es ein Gesprächspartner ist und keine Gesprächspartnerin, da uns bis jetzt noch nie eine Frau auf offener Straße angesprochen hat. Ich kann nicht sagen, ob es damit zusammenhängt, dass wir weiß sind oder sich ein Ansprechen von einem fremden Mann allgemein nicht gehört, es ist mir auch herzlich egal, da ich, so hart es klingt, meist eher einfach meine Ruhe will und nicht mit voller Aufmerksamkeit den Versuchen eines Inders lauschen will, der mir irgendwas von irgendwem erzählt.
Als wir ca. 10 km gelaufen sind (3/4 der See-Umrundung), sehen wir eine Mall, die eher westlich wirkt und wir haben wirklich Lust auf eine Pizza, also gehen wir rein. Am Eingang werden wir von einem „Security” „durchsucht”. Lächerlich, es Durchsuchung zu nennen und noch lächerlicher, den 70 Jahre alten Mann mit zu großem Security-T-Shirt Sicherheitsmann zu nennen, aber trotzdem, es gibt diese „Securities” an jeder Ecke und fast vor jedem größeren Geschäft. Mir wurde von unseren indischen Mitarbeitern erzählt, dass das wohl eher eine Beschäftigungsmaßnahme des Staates sei als irgendetwas anderes und das glaube ich auch sofort. Als wir also in der Mall sind, sehen wir Pizza Hut und wir entschließen uns, eine Pizza zu essen. Als meine Pizza kommt bin ich erst einmal perplex, weil dieses untertassengroße Ding erstens wenig mit den Pizzen zu tun hat, die ich gewohnt bin, und zweitens, weil das auf der Karte angepriesene Hühnchen eher einem Lyoner Würstchen ähnelt, das zerstückelt auf meine Pizza geschmissen wurde. Das Geschmackserlebnis, wer hätte es erwartet, war dem Erscheinungsbild entsprechend, sagen wir - bescheiden. Ich habe wieder etwas gelernt. Nicht einmal eine Pizza-Kette in Indien kann Pizza machen. Aber, was habe ich auch erwartet?
Als wir von unserer Pizza Erfahrung wieder auf die Straße kommen, hören wir schon von weitem lautes Getröte, Getrommel und hupende Autos. Als wir näher kommen, sehen wir eine riesige Menschenmenge, die um einen Autokran steht, der gerade eine sehr große Ganesha Statue ins Wasser hebt. Diesen Lärm kann man sich nicht vorstellen und so beschließen wir, die Umrundung des Sees schnell abzuschließen und schleunigst nach Hause zu kommen. Leichter gesagt als getan, denn die Menschenansammlung behindert den Verkehr so sehr, dass wir fast 20 min auf unser Uber warten und das bei sehr schwülen 31 Grad. Aber auch das überlebten wir und der Tag war insgesamt sehr schön und Informativ.

Als wir zuhause ankamen, warteten schon unsere neuen Kumpels auf uns. Diese sind zwei 24 Jährige Ureinwohner aus dem kleinen Dorf Dalapalli und sprechen wirklich nur gebrochen Englisch. Das mindert aber keineswegs ihr Interesse, uns alle möglichen Fragen zu stellen. In aller Regel sieht ein Gespräch immer folgendermaßen aus:

Ureinwohner: „lkjbbhjvuzvlbjzkjgjkfhvbjh, juzkhvj” (kauderwelsch dritten Grades)
Leo: „Ouuh, I don`t understand”
Ureinwohner: „mhmhnschmnjn” (kauderwelsch zweiten Grades)
Leo: „Hhhm What”
Ureinwohner: „Were ghoing” (extra mit Rechtschreibfehler da immer noch nicht wirklich zu verstehen)
Leo: „Ahhh, to the tailor” (ein Beispiel)

Danach lachen wir alle total und das Gespräch ist beendet.

Ich glaube es wird eine sehr sehr lustige Zeit, die uns bevorsteht, da wir mit den beiden jungen Männern Karten der Landschaft erstellen sollen und sie meist eher einer anderen Meinung sind als wir und einfach mal anfangen. Es endet meist damit, dass ihr vorher so intensiv durchdachter Plan doch nicht funktioniert, aber wir verstehen uns prächtig und die jungen Männer zeigen riesiges Interesse an unseren PCs. Es war auch sehr amüsant, als die beiden an einem der Uralt-PCs unten im Office saßen und das Internet weg war. Leo erbarmte sich zu versuchen, das Internet wieder anzukriegen, und als er da so saß, kamen die beiden von hinten, und auf einmal waren beide Fachmänner im PC-Bedienen und man hörte nur noch total aufgeregtes „connect connect connect connect connect connect connect” von den beiden. Leider ging das Internet danach immer noch nicht, aber wie unsere Bundeskanzlerin schon so treffend sagte: „Das Internet ist für uns alle Neuland”, so sind wir eben auch keine Fachmänner, schon gar nicht bei diesem unglaublich zuverlässigen Strom- und Internet-Netz in Indien. (😂😅)

Bevor ich es vergesse, noch einige Zeilen zum oben genannten Müllproblem. In Indien wird der Müll immer einfach an Ort und Stelle weggeschmissen oder man bringt ihn an einen nahe gelegenen Fluss und schmeißt ihn dort weg. Für uns unvorstellbar, aber hier liegt eigentlich überall Müll. 85% Plastik, was niemals verrotten wird!! Es ist wirklich für einen Menschen, der aus Europa kommt, schlimm, wenn er sieht, dass eine Müllabfuhr kommt, den Müll einsammelt und dann 20 min später einfach an den Fluss kippt. Ich denke, das größte Problem, was Indien momentan hat, ist der immer mehr werdende Müll. Ich habe leider keine Lösungsansätze, aber es fängt in den Köpfen der Menschen an, da diese keine Ahnung haben, was sie anrichten mit ihren sorglosen Aktionen, den Hausmüll hinter das Haus in den nahe gelegenen Park zu schütten. Auch unvorstellbar in Deutschland ist, dass man einen Mann einfach so an der Straße stehen sieht, der sich gerade seiner Notdurft entledigt.  Dinge, die mich auch nach knapp zwei Wochen wirklich schockieren und wütend machen. Denn der Diesel, der ja ach so schlimm ist, ist gegen die Verschmutzung hier durch LKWs und Müll sowie Verbrennung von Plastik und Öl ein Tropfen auf dem heißen Stein und kaum der Rede wert. Ich glaube, man kann sich dies alles schwer vorstellen, wenn man noch nie in diesem Land war oder in vergleichbaren Entwicklungsländern. Aber wer hier schon einmal war, der kann sicher empfinden, wie ich oft fühle, wenn ich sehe, wie unsere Welt durch Unwissen vor die Hunde geht.

Eine Müllabfuhr.

Ganz bald mehr,

Euer Merlin

Kommentare

  1. Hey Merlin, ich fange jetzt erst an Dein Blog zu lesen. Ich finde es Klasse, dass Du das machst und bin gespannt was Du noch alles erleben und berichten wirst 👍
    Liebe Grüße aus Hamburg,
    -Bert.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ein Ende - Ich bin wieder da!

Hallo an alle Leser, ich habe mich in den letzten Wochen wenig bis gar nicht mehr gemeldet. Ich hatte einen guten Grund, durch eine Rückenverletzung, die ich mir schon Mitte Oktober letzten Jahres zugezogen hatte, musste ich sehr viele Schmerzen ertragen die letzten drei Monate. Ich war vor Ort bei verschiedenen Ärzten, aber die Behandlungsmöglichkeiten waren sehr begrenzt und oft gar nicht vorhanden. Ich habe in diesen drei Monaten sehr viel über meinen Freiwilligendienst nachgedacht und habe mich dann schlussendlich entschieden ihn zu beenden. Eine Entscheidung, mit der ich zufrieden bin, da sie notwendig war, weil das Kranksein in einer unbekannten Umgebung wirklich wenig Spaß macht. Nun fragen sich bestimmt viele, warum ich nicht schon vorher berichtet habe, dass ich abbrechen möchte oder darüber nachdenke. Das hat zwei Hauptgründe, erstens möchte ich mit meiner Geschichte, die schon irgendwie tragisch endet, niemandem die Lust nehmen, ein Jahr in Indien zu verbringen, da mein F

FRRO, Trip to Hampi, Gegensätze sowie das Hakenkreuz in Indien

Die letzten Tage ist vergleichsweise wenig passiert. Wir haben unsere Arbeit gestartet und es gab nur wenige Ereignisse, die wirklich aus diesem Geschehen herausstechen. Aber eins gab es, welches es wirklich in sich hatte. Die Registrierung im FRRO (Foreigner Regional Registration Office) von Indien. Wir waren insgesamt zweimal da, beim ersten Mal alleine ohne Unterstützung von unseren Indischen Mentoren. Dieses erste Mal war besonders klasse, da ich an einem ordentlichen Schnupfen litt und ich mich dementsprechend riesig wohl fühlte im überfüllten Warteraum, der die ganze Zeit von einer Klimaanlage auf eisige Temperaturen runtergekühlt wurde. Wir wussten beim ersten Mal natürlich auch nicht, was genau wir jetzt machen sollen, und so kam es, wie es kommen musste, wir saßen 6 Stunden in diesem Warteraum und kamen nicht dran. Erst als es 30 min vor Schließung der Behörde war, trafen wir durch Zufall andere Freiwillige aus Deutschland, die mit ihrer indischen Mentorin da waren. Mit  Hil

Weitere Geschichten aus 10 Tagen völliger Abgeschiedenheit!

Als das Medical Camp vorüber war, haben wir weiter gemacht mit den Folgen des ganzen Spektakels! Wir haben erst einmal nur vor unserer Unterkunft in 30 min 3 ganze Säcke Müll voll gesammelt. Nach kurzer Zeit wurde uns aber klar, dass wir den ganzen Müll 1. nicht zu zweit sammeln können und 2. nicht wollen, da es ja im Endeffekt nicht unser Dorf ist. Also haben wir erst einmal bei den 15-25 Jährigen gefragt ob man uns helfen könne, leider ist diese Jahreszeit mit die wichtigste und auch arbeitsreichste für die Bauern in den Bergen und so haben wir schlussendlich bei der kommenden Generation begonnen. Bei den Kindern.  Klar ist, dass wir jetzt nicht angefangen haben ihnen zu erklären, was genau Plastik ist etc. Wir haben zu Anfang animierte Videos gezeigt, die ohne Sprache zeigten, dass Plastik schädlich für die Umwelt und ihre Bewohner ist. Die Kinder waren zwar sehr interessiert an unsrem PC, aber natürlich weiß ich nicht, wie viel in einem kleinen Kinderkopf hängen bleibt, wenn man