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Die OP

Nun als ich vor ca. 90 Tagen nach Indien gereist bin, hatte ich mir eines vorgenommen: Werde nicht krank und vor allem, lass dich nicht operieren. Der Vorsatz hielt jetzt genau 90 Tage, weil ich mir ungefähr am 70. Tag eine Nagelbettentzündung am linken großen Zeh einhandelte. Dieses Problem zwang mich schließlich nach mehreren gescheiterten Versuchen, das Problem mit Homöopathie zu lösen, zu einem großen Privatkrankenhaus zu fahren um dort die OP stattfinden zu lassen.
Das Krankenhaus wurde mir empfohlen von einem sehr guten Freund hier in Hyderabad, der ein homöopathischer Arzt ist. Durch seine Kontakte wurde ich nach indischen „5 min” ( es waren ca. 60 min) in die Notaufnahme geführt, wo dann durch einen schnellen und fachmännischen Blick festgestellt wurde, „Ja, der muss operiert werden”. Nu, in Deutschland ist ein Krankenhaus steril, ruhig, meist hell und man hat das Gefühl, man wird dort gut umsorgt. Das ist in Indien nur wirklich teilweise so!! Da in Indien wohl etwas mehr Menschen leben als in Deutschland, gibt es „Agenten”, wie ich sie nenne. Diese Agenten kann man über Kontakte, wie in meinem Fall Dr. Rao, auf Whattsapp anschreiben, ihnen das Problem erklären und diese weisen einen dann weiter zu einem weiteren „Agenten” direkt im Krankenhaus selbst, der dann mit dem Patienten, in diesem Fall mir, zum behandelnden Arzt läuft. Ohne diese Agenten wäre das auch gar nicht möglich, da das ganze KH so verwinkelt ist und man sich kaum zurechtfindet.
Mein Agent war ein groß gewachsener Inder, der nach Rasierwasser roch und der sehr gut Englisch sprach. Ich wurde mit seiner Hilfe direkt zum Chirurgen gebracht, der dann auch sofort zusagte, die OP noch am gleichen Abend durchzuführen. Ganz anders als in Deutschland brauchte ich keinen Termin und musste nur ganz kurz zum Vorcheck in sein Büro.
Nun man zahlt hier ja direkt die Kosten und in meinem Fall gibt die Versicherung dann das Geld im Nachgang zurück. So ist zumindest der Plan. Leider kostete die OP um die 300 Euro und wir hatten nur 200 dabei. Ich wollte versuchen bei der Notfall-Hotline der Versicherung nachzufragen und eine Direktübernahme anzufordern, aber in dieser „NOTFALL” Hotline hing ich erst einmal 5 min fest und mir wurde von einer freundlichen Computer Stimme ins Ohr gezirpt, dass derzeit kein Mitarbeiter frei wäre. Also mussten wir versuchen das Geld irgendwie anderweitig aufzutreiben. Zum Glück konnte mein Mitfreiwilliger das Geld vorstrecken, aber da kam schon das nächste Problem. Leo hatte die Pin seiner VISA-Karte vergessen, was es unmöglich machte, die Internationale Kreditkarte zu benutzen. Da das KH auch keine Giro karte aus Deutschland annehmen wollte, mussten wir einen Geldautomaten suchen. Der draußen nahm Leos Karte auch nicht und der im Krankenhaus selbst war dann nach 6000 Rupien auch leer. Schließlich war es mein befreundeter Arzt, der für mich bürgte und weswegen sie die Zahlung von 16.500 Rupien vorerst akzeptierten. Aber es war bis dahin ein unglaublicher Stress und mein schmerzender Zeh machte es nicht einfacher. Ich muss in diesem Satz wirklich sagen, dass die Versicherung im Notfall gar nichts nützen würde und man auf sich alleine gestellt ist.
Nun aber zur OP. Ich dachte, da es ja nur ein lokaler Eingriff ist, würde ich kurz meine Hose hochkrempeln und das wäre nach 20 min vorbei. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, welch hoher Aufwand jetzt betrieben wurde, um jegliche Infektion zu vermeiden. Ich wurde in einen Operationskittel gesteckt, unter dem ich natürlich nackt war, und es wurden im OP-Saal die Arme von mir gestreckt auf einer Folterbank ähnlichen Vorrichtung im Liegen positioniert. Dann wurde mir - ich muss kurz dazu sagen, dass ich eine unglaubliche Nadelphobie habe!!! - ein Zugang an der linken Hand gelegt, durch welchen mir dann sehr hoch dosiertes Antibiotikum verabreicht wurde.
Die Betäubung direkt zwischen die Zehen war dann leider weniger schön und da ich sehr in dem relativ sterilen OP-Saal fror, war ich heilfroh, als die Prozedur nach 20 min zu Ende war. Ich hatte in dem 18 Grad kalten Raum auch nur dieses ultradünne Hemdchen an. Nach der OP wurden mir noch die entfernten Gewebeteile gezeigt und ich wurde in den Aufwachraum gebracht, in dem Leo schon sehnsüchtig wartete. Naja, wir mussten noch 2 Stunden warten bis man mich auf leicht wackeligen Beinen aus dem Krankenhaus entließ, es war mittlerweile 11 Uhr nachts.

Ich, kurz nach der OP, unter starken Schmerzmitteln.

Ich muss sagen, dass ich zwar meine erste OP auch sehr gerne in Deutschland gehabt hätte, aber ich hoffe jetzt einfach, dass alles gut verheilt. Heute Abend (17.11.2017) habe ich einen Verbandswechsel, bin gespannt, was mir der stark nuschelnde Arzt erzählt.
Ich wollte Euch einfach auf dem Laufenden halten und Euch von meiner unglaublich hektischen Zeit, die ich gerade durchmache in Indien, erzählen.

Bis bald

Euer Merlin

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